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Alte Digitaluhren - LCD-Armbanduhren der 70er & 80er

Wer sich im Retro-Lifestyle-Bereich bewegt, der weiß, daß technischer Fortschritt auch aufgehalten werden kann, zumindest vorübergehend. So trägt die Menschheit beispielsweise seit gut einem Jahrhundert fast ununterbrochen Armbanduhren mit Analog-Anzeige, obwohl Digitaluhren höchstwahrscheinlich dem Fortschrittsgedanken eher Rechnung tragen würden.

Aber vielleicht ist ja gerade wieder eine Zeitenwende in Sicht, so wie gegen Ende der 70er-Jahre, als mit der Quarzuhr bzw. mit elektronischen LED- und LC-Displays, die Uhrengeschichte für ca. 10 Jahre neu geschrieben werden sollte. Damals (ca. 1975-1985) wollte der modebewußte Armbanduhrenträger elektronische Uhren am Handgelenk zur Schau stellen. Es sollten futuristische High-Tech-Erzeugnisse sein, idealerweise Nebenprodukte der Weltraumfroschung mit raffinierter Mikroelektronik und einer weithin sichtbaren Digitalanzeige. Zuerst mit roter LED-Anzeige, die nur auf Knopfdruck kurz aufleuchtete, wie die 1971 von Peter Petroff entwickelte erste digitale Armbanduhr ("Hamilton Pulsar"). Dann mit der überaus beliebten Flüssigkristall-Anzeige (Liquid Crystal Display), die sich in der 80er-Jahren unter dem Namen "Quartzuhr" [sic] etablierte, obwohl schon die damaligen Quarzuhren entweder eine digitale Anzeige oder eine Anzeige mit Zeigern besitzen konnten. Allerdings wollte in den 1980ern niemand sein modernes Quarz-Uhrwerk hinter einer vermeintlich nostalgischen Analoganzeige verbergen. Deswegen mußte eine Digitaluhr (Quarzuhr) auch eine Digitalanzeige haben - und zwischen 1975 und 1985 hatte sie das auch.
Später, nach 1985, wurde dann wieder die analoge Anzeige bevorzugt, was man auf dem Schulhof dann "Swatch" nannte, obgleich für die sekundengenaue Zeiger-Zeitanzeige immernoch ein Schwingquarz sorgte.

Denken wir aber lieber ca. 30 Jahre zurück, als die gute alte Digitaluhr ihre erste Blütezeit erlebte, schließlich wollen wir ja über den aktuellen Retro-Trend hin zu LCD-Armbanduhren sprechen. Digitaluhren der 70er und 80er sind nämlich gerade wieder im Trend und viele Uhrenhersteller besinnen sich auf den Retro-Look und verkaufen wieder die typischen Oldschool-Digitaluhren.

So bietet z.B. Casio eine ganze Reihe von "alten Digitaluhren" an, d.h. Quarzuhren mit Digitalanzeige die auf den ersten Blick auch in den 80er-Jahren gefertigt sein könnten. Beispielsweise die Modelle A168WA, A164WA und F-91W. Abgerundet wird das Casio Retro-Sortiment mit der Casio A168WG-9EF, einer goldenen Digitaluhr bzw. einem goldenen Kunststoff-Klassiker mit offensichtlichem Retro-Weitblick. Und auch der Uhrenhersteller Timex, hat mit seiner bunten Timex 80-Kollektion die Zeichen der Zeit erkannt und wieder Digitaluhren im Angebot - sogar eine Digitaluhr mit Taschenrechner (Timex 80 Calculator) ist seit April erhältlich. Schöner und treffender kann man einen Retro-Trend unseres Erachtens nicht definieren, da das Feeling der 80er-Jahre mit einer Taschenrechner-LCD-Digitaluhr nahezu perfekt eingefangen wird. Denn gerade die 80er-Jahre Uhrenmode wurde durch Weiterentwicklungen an der Digitaluhr geprägt. Zu den Hochzeiten der LCD-Quarzuhren gab es deshalb auch die schönsten technologischen Auswüchse und Spielereien für das Handgelenk. Beispielsweise entwickelte der japanische Uhrenkonzern Seiko nicht nur eine der ersten digitalen Quarzarmbanduhren mit LCD-Anzeige im Jahre 1973, sondern 1982 auch die erste Armbanduhr mit Fernseher. Von Seiko gab es sogar eine Uhr mit Drumcomputer. Der Hersteller Casio wiederum integrierte in den 80ern einfache Videospiele und Taschenrechner in seine Digitaluhren, lieferte 1987 eine der frühen batterielosen Solaruhren (AL-180) mit Digitalanzeige ab und schreckte auch vor LCD-Uhren mit Barometer oder Wörterbuchfunktion nicht zurück.
Der Uhrenhersteller Citizen hatte die beliebten Armbanduhren mit kombinierter Analog- und Digitalanzeige im Angebot, wobei eindeutig die sogenannte Citizen Ana-Digi Temp das 80er-Nerd-Highlight war - sie zeigte in einem weiteren Display-Feld auch noch die aktuelle Temperatur an. Von Piratron gab es die kultige Piratron World Timer bzw. relativ günstige Digitaluhren mit Videogames.

Viele dieser Vintage-Modelle sieht man heutzutage wieder als Lifestyle-Bekenntnis an den Hangelenken der hippen Großstädter von Berlin bis Hamburg. Allerdings muss die Digitaluhr bei diesen Trendsettern vor allem ein Kriterium erfüllen. Der Retro-Look bzw. die alte Digitaluhr sollte ein gewisses Maß an Individualität und Originalität versprühen, so daß aktuelle Modellvarianten und moderne Digitaluhren nicht unbedingt vom Digitaluhr-Revival profitieren. Das Motto heißt vielmehr, je älter desto besser, "Mode", "Set", "Light" und ein super massives Uhrengehäuse mit einem Armband aus glänzendem Metall. So zählen vor allem die alten LCD-Digitaluhren mit 70er-Space-Age-Charme von Seiko, Casio (Casiotron), Citizen (Crystron), Longines und Orient zu den gefragtesten Sammlerstücken. Denn diese Uhren sind nicht nur Zeitanzeiger, sondern auch Zeitzeugen für den sogenannten Retrofuturismus, da sie so wunderbar Science Fiction und die Zukunftsvisionen der Vergangenheit widerspiegeln. Daneben ist die Digitaluhr auch als ein technisches Artefakt zu verstehen, das exemplarisch für industrielle Umbrüche herangezogen werden kann. Die Digitaluhr war gewissermaßen der Auslöser für die sogenannte "Quarzkrise", da der Übergang von analogen zu digitalen Uhren von der deutschen und der schweizerischen Uhrenindustrie nur als vorübergehende Modeerscheinung angesehen wurde. Daher konnten die japanischen Uhrenhersteller in den 80er-Jahren große Marktanteile gewinnen und den Uhrenmarkt mit preiswerten und genauen Quarzuhren überschwemmen. Mitte der 80er wurde dann die bunte "Swatch" mit Zifferblatt zum Konsens-Mode & Lifestyle-Accessoire - und Digitaluhren sahen plötzlich unheimlich alt aus.

 

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